Geschichten:Krähen, so weit das Auge reicht - Eulennest

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Mark Vallusa, Creag Rían, Frühjahr 1041

„Was...“, Sulwen kratzte sich nachdenklich am Kopf, „... fressen denn Eulen eigentlich so?“ Sie schaute fragend in die Runde ihrer Halbgeschwister und dann wieder zurück in das Nest voller flauschiger Küken. Sie hatten es in der hintersten Ecke im Dach gefunden. Durch eine kleine Nische waren die Eulen wohl von draußen hineingeschlüpft und hatten hier im geschützten Inneren ihr Nest gebaut. Viel Platz war hier nicht, sie musste zum Nest hinrobben, weil sie anders nicht herankamen.

„Na, Gemüse. Rüben, Kohl, Äpfel...“, frotzelte Tangwyn da und fing sich sogleich einen kleinen Klaps von Branwen ein.

„Hör auf deine Schwester zu ärgern!“, herrschte diese ihn an.

„Hör auf deinen Bruder zu ärgern!“, erwiderte der Knabe und rieb sich die leicht schmerzende Stelle am Hinterkopf, „Du hast nur einen.“

„Fragt sich nur noch wie lange...“, kicherte Sulwen schadenfroh. „Äpfel sind kein Gemüse, sondern Obst“, Iorwen seufzte schwer.

„Lernst du eigentlich überhaupt was bei deiner Schwertmami?“, empörte sich Sulwen, während Branwen nur kopfschüttelnd schmunzelte, „Wirklich! Wenn ich nicht wäre, würdest du überhaupt nichts lernen! Gar nichts. Überhaupt nichts.“

Die Ritterin schnaubte amüsiert: „Nicht mal kreischen...“

„Und...“, hob nun Iorwen an, „... und... was... was machen wir jetzt?“

Einen Augenblick starrten sie alle wie gebannt in das Nest hinein, in dem acht kleine flauschige Küken ihre hungrigen Mäuler ihnen entgegen reckten und einen niederhöllischen Lärm verursachten.

Es war Tangwyn, der zuerst das Wort ergriff. Sein Gesichtsausdruck war ernst: „Ihr geht nach unten. Ich kümmere mich darum.“

„Was meinst du mit ‚kümmern‘, Turmfalke?“, entfuhr es Iorwen da vollkommen entsetzt, „Du willst sie doch nicht etwa...?“

Der Knabe seufzte schwer: „Vielleicht ist es dir nicht aufgefallen, Sumpfohreule, aber sie haben keine Eltern mehr, und sie sind noch nicht flügge. Selbst versorgen können sie sich ja wohl nicht. Und wenn ihnen das Futter nicht aus Versehen in den Schnabel fliegt, werden sie verhungern. Da mache ich lieber kurzen Prozess mit ihnen...“

„Kurzen Prozess?“, fragte Iorwen kehlig und blickte hilfesuchend die Ritterin an: „Sturmschwalbe?“

„Er hat recht“, erwiderte Branwen da, „Wenn wir ihr Leiden beenden können, sollten wir es tun. Der Hungertod ist kein schöner. Kein Wesen hat verdient ihn erleiden zu müssen. Und sterben würden sie...“

„Aber wir haben doch auch keine Eltern mehr...“, warf Iorwen da ein, „Und wir leben!“

„Was für ein Vergleich!“, Sulwen rollte genervt mit den Augen, „Als wären wir ein paar krakeelende Federpüschel! Dir haben wohl deine bescheuerten Eulen ins Hirn gesch...“

Iorwens Augen füllten sich mit Tränen. „Bitte“, wisperte sie leise, „Ich habe so viele sterben sehen. So viele. Und so viele Leben genommen. Lasst uns bitte wenigstens versuchen, diese unschuldigen Kreaturen zu retten... Bitte!“

Wieder schwiegen alle und schauten in das Nest hinein.

„Sie sind doch auch Kreaturen der Zwölfe, wie wir alle...“

Immer noch schwiegen die anderen.

„Bitte! Lasst es uns doch wenigstens versuchen!“

Wieder schweigen.

„Gut, die Sumpfohreule hat recht“, seufzte Sulwen da lahm und rollte entnervt mit den Augen, „Wir sollten versuchen, sie durchzubekommen...“

Nun waren alle Blicke verwundert auf Sulwen gerichtet. Auch Iorwen blickte sie verdutzt an. „Ist doch wahr!“, verteidigte die sich, „Wenn es nicht funktioniert, dann können wir immer noch kurzen Prozess mit ihnen machen...“

Immer noch verwunderte Blick.

„Ich kann es echt nicht haben, wenn eine von uns flennt...“, rechtfertigte sich Sulwen erneut, „Echt nicht! Da krieg ich zu viel...“

Einen Moment Stille.

„Na gut, ich nehm die niederhöllischen Kreischer“, ließ sich Tangwyn breitschlagen und wollte gerade nach dem Nest greifen, da entfuhr es Iorwen: „Das ist jetzt nicht dein ernst! Gerade eben wolltest du den Küken noch den Garaus machen...“

„Also wenn“, mischte sich nun Sulwen ein, „Wenn eine Anrecht auf diese schreienden Federpüschel hat, dann ja wohl ich, schließlich hab ich dafür gesorgt, dass...“

„Dass ich nicht lache!“, erwiderte Iorwen, „Nur weil du genauso schrill kreischen kannst, wie die? Du wusstest doch nicht einmal was Eulen fressen.“

„Aber ich kenne die hier gültige Hackordnung, du... du... alte Hexe!“

„Na dann“, schloss Branwen vielsagend.


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5. Ing 1041 BF am Abend
Eulennest?
Krähennest?


Kapitel 5

Familie
Autor: Orknase